Hallo Liebe Leser und herzlich Willkommen zur nächsten Station unserer Blogtour zu "Der vergiftete Raum" von Alf Stiegler.
Gestern hattet ihr bei Manja von Manjas Buchregal einen tollen Einblick in die Fränkische Schweiz.
Heute habe ich ein Protagonisten Interview der besonderen Art für euch.
Viel Spaß und nicht vergessen macht auch bei unseren Gewinnspiel mit!
Protagonisten Interview mit Juliana Braun, dieses Interview wurde zu Beginn der Ereignisse im Waldheim aufgezeichnet.
Juliana schwang sich aus
ihrem Skoda und fühlte sich erstaunlich wohl in den hohen Absätzen. Endlich mal
wieder raus aus den Pädagogenklamotten.
Als sie sich auf den Weg
zum Eingang des Cafés machte, begann sich ihr Bauchgefühl bemerkbar zu machen
und sie mit Warnungen zu bewerfen: Was das für eine Bloggerin sei, warum sie Juliana
zu einem Interview eingeladen hatte, worum es dabei überhaupt gehen sollte.
Aber Juliana wischte diese Bedenken einfach beiseite. Sie war so froh dem
Waldheim entkommen zu sein, dass sie wahrscheinlich auch einer Einladung zu den
Zeugen Jehovas gefolgt wäre. Sie holte den Brief noch einmal hervor.
„Einladung zum Interview auf Lines Buchblog“
Mit Sicherheit ist Markus dafür verantwortlich, dachte sie bei sich. Ihr
Geschäftspartner hatte von Anfang an kein gutes Gefühl bei ihrer Bewerbung in
diesem seltsamen Heim gehabt, und wollte ihr nun ein wenig Ablenkung verschaffen.
Ihr Bauchgefühl war jedoch
davon nicht zu überzeugen. >Ach
ja?<, schimpfte es, >Warum hat
er dich dann nicht vorher gefragt?< Juliana begann im Gehen in ihrer
Handtasche zu wühlen, um sich abzulenken.
Ihr Bauchgefühl gab keine Ruhe. >Wenn
du so sicher bist, dass er dafür verantwortlich ist, warum hast du dann nicht nachgehakt,
was er sich dabei gedacht hat? Und wenn wir schon dabei sind…< „Halt
gefälligst die Klappe!“ Juliana rammte ihre Absätze in den Boden und ballte die
Faust in ihrer Handtasche.
Dann hörte sie das leise
Klappern einer Tür. Mit einer unguten Vorahnung und hochgezogenen Schultern
blickte sie von ihrer Tasche auf. Eine junge Frau stand in der Tür des Cafés,
an ihren Lippen zupfte ein Lächeln.
Juliana ließ ihre
Schultern sinken. „Sie haben das gesehen…“ Die junge Frau reichte ihr die Hand.
„Sag ruhig Du“, sagte sie und lächelte noch etwas breiter. Als ob sie wüsste,
dass Juliana die ungewöhnliche Angewohnheit hatte, mit ihrem Bauchgefühl zu
sprechen. Aber das konnte natürlich nicht sein.
„Willkommen zum Interview auf Lines Buchblog!“
„Mein Name ist
Jacqueline“, sagte die junge Frau, „aber alle nennen mich Line.“ Juliana
spürte, wie ihr freundliches Interesse entgegen schlug, und nach der Angst und
der Verzweiflung im Waldheim fühlte sich das an, als würde man nach einem
eisigen Schneesturm in ein warmes Bad steigen. Dankbar ergriff sie die
gereichte Hand und drückte sie. „Juliana. Aber alle nennen mich Jana.“
Wieder dieses wissende
Lächeln. „Komm mit“, sagte Jacqueline dann und führte Juliana in ein gemütliches
kleines Café. Es war noch kein Gast da, und die Vertraulichkeit, mit der die
Bedienung die Bestellung aufnahm, ließ Juliana vermuten, dass hier öfter solche
Interviews stattfanden. Der kleine Raum war gemütlich eingerichtet. Überall
standen Bücher herum, es roch nach Papier und Holz und eine Duftlampe auf ihrem
Tisch verströmte den dezenten Hauch von Lavendel. Ein Literaturcafé offenbar. Juliana
spürte wie sie sich entspannte.
Ein paar Minuten später
war das warme Klappern von Porzellan zu hören, als die Bedienung zwei Tassen mit
handgebrühtem Kaffee brachte. Voller Verzückung beobachtete Juliana, wie der
Dampf aus der Tasse stieg. Heiß. Frisch. Sie nahm den Becher in beide Hände,
lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ermutigte Jacqueline mit einem freundlichen
Blick über den Dampf hinweg, dass sie ruhig mit dem Interview beginnen könne.
Die Bloggerin stellte ihre
Tasse ab und holte einen Stift hervor. Juliana nippte an ihrem Kaffee, gespannt
auf die Fragen, die man ihr stellen würde. Wahrscheinlich würde es wieder
einmal um ihre berühmte Vergangenheit gehen. Queen Suicide. Na bitte, sie hatte sich schon so oft dafür
gerechtfertigt, dass…
„Dieser geheimnisvolle Brief, den du aus dem Waldheim bekommen
hast…“
Juliana verschluckte sich
und musste so heftig husten, dass die Flamme unter der Duftlampe zu flackern begann.
Jacqueline sprang auf und sah betroffen aus, aber Juliana hob beschwichtigend
die Hand. „Schon gut“, krächzte sie, als sie wieder zu Atem kam, „schon gut.“
In ihrem Kopf jedoch
rasten die Gedanken. Sie hatte keine Ahnung, wie die junge Frau von dem Brief
erfahren haben konnte, immerhin hatte Juliana nicht einmal Markus davon erzählt.
Aber bitte, dachte Juliana, und ihre Instinkte schärften sich. Wollen wir doch
mal sehen, wohin uns dieses Gespräch führt. Sie deutete der Bloggerin, dass sie
ruhig weitermachen konnte.
„Wie hast du dich gefühlt, als du diesen Brief bekommen hast?“
Juliana behielt sie
scharf im Auge. Jacqueline sah ebenfalls wachsam aus. Interessiert. Aber auch
besorgt. Vielleicht wusste sie ja etwas darüber, welche Experimente man mit den
Kindern im Waldheim angestellt hatte. Vielleicht konnte sie Juliana sogar
weiterhelfen.
>Vielleicht hat sie aber auch nicht die geringste Ahnung<,
warf Julianas
Bauchgefühl ein, >und will nur eine
Sensation aus dir herauskitzeln, um noch mehr Leser auf ihren Blog zu
locken!<
Diesmal beschloss Juliana
auf ihr Bauchgefühl zu hören. Sie würde sich mit Bedacht an ihrer
Interviewpartnerin herantasten. „Wie hättest du dich gefühlt?“, fragte sie also
zurück.
Line hob eine Braue. „Wie
ich mich gefühlt hätte, wenn mir ein Brief von einem Heimbewohner zugeschickt
worden wäre, der von Geisterhalluzinationen spricht, und fürchtet, dass man ihn
umbringen will? Was glaubst du wohl.“ Sie nahm selbst einen Schluck Kaffee.
„Ich wäre geschockt.“
Juliana breitete ihre
Arme in einer Da-ist-es-mir-nicht-anders-ergangen-Geste
aus.
„Was mich zu der Frage führt: Warum hast du dich dann trotz
dieses Briefes auf die Stelle im Waldheim beworben?“
Tja. Was sollte Juliana darauf
nur antworten? Weil ich ein verdammtes
Opfer meiner Faszination für bizarre psychologische Phänomene bin! Sie
entschied sich jedoch, nur diesen anderen Teil der Wahrheit in ihrer Antwort zu
erwähnen. „Der Brief war ausdrücklich an mich gerichtet“, sagte sie. „Jemand
fürchtet um sein Leben und bittet mich um Hilfe. Wie könnte ich das
ignorieren?“
Line rührte in ihrem
Kaffee, das Klappern des Löffels am Porzellan füllte die Stille. Mittlerweile
wünschte sich Juliana, dass ein paar mehr Gäste kommen würden.
„Wie war dann dein erster Eindruck vom Waldheim, seinen
Angestellten und Bewohnern?“
Ohne dass Juliana das
verhindern konnte, schossen ihr die mühsam verdrängten Erinnerungen wieder
durch den Kopf; Erinnerungen an den Einrichtungsleiter, dieses sadistische
Schwein, an den gewalttätigen Skinhead mit den blutigen Augen, an den
Tintenfischjungen und die Art wie der stille Sonderling sie immer ansah, an all
die anderen Bewohner und diese unausgesprochene Angst, die sie alle
niederdrückte wie die unsichtbare Pranke eines Riesen.
„Mein erster Eindruck…“,
sagte sie nur und stellte ihre Kaffeetasse ab, „hat mich darin bestätigt, dass
dieser Brief kein Scherz ist.“
Das Geräusch von Jacquelines
Kugelschreiber auf Papier. Als keine weitere Antwort von Juliana kam, hob sie
den Kopf.
„Hat sich dein erster Eindruck vom Waldheim seitdem geändert?“
Juliana zuckte zusammen.
Diese Fragen bohrten mitten in die offenen Wunden. Was sollte sie ihrem
Gegenüber sagen? Dass es jeden Tag offenkundiger wurde, wie sehr auch die
Mitarbeiter von irgendeinem dunklen Geheimnis niedergedrückt werden? Und dass
das auch an ihrem eigenen dunklen Geheimnis rüttelte… Ohne sich daran hindern
zu können, tastete sie nach den Lederarmbändern, die sie unter ihrem Ärmel
versteckt hielt. Jacqueline bemerkte das, und für eine Sekunde durchzuckte
Juliana der glühende Schreck, die junge Frau könnte sie danach fragen. Die
Bloggerin jedoch bemerkte offenbar den leidenden Ausdruck in Julianas Gesicht
und beschloss nicht weiter nachzufragen.
„Nun gut, anderes Thema. Kinder, die alle anfangen Geister zu
sehen. Jetzt mal Hand aufs Herz: Gibt es so etwas wie ansteckende
Halluzinationen wirklich?“
Juliana entspannte sich ein
wenig. Das war ihr Gebiet. „Ich meine“,
fuhr Jacqueline fort, „das klingt eher, als hätte sich das ein
Psychothriller-Autor mit zu viel schräger Fantasie ausgedacht.“ Sie grinste
hintergründig. Julianas Kaffee-Appetit kehrte indes zurück und sie nahm die
Tasse in die Hand. „So etwas wie im Waldheim hat es wohl wirklich noch nie
gegeben“, gab sie zu. „Aber im Kleinen geschieht so etwas ständig. Es hat etwas
damit zu tun, wie wir Ereignisse aus unserer Umgebung bewerten.“
Oh je, dachte
Juliana, keinen Therapeutentalk… Sie
räusperte sich. „Nehmen wir eine Familie, die gemütlich beim Abendbrot sitzt.
Plötzlich klappern die Dachziegel. Jedem ist klar: das ist die Nachbarskatze
auf Mäusejagd.“ Juliana nahm einen Schluck Kaffee. Ein wenig abgekühlt aber
noch immer köstlich. „Ganz anders sieht die Situation aus, wenn sich der sechzehnjährige
Sohn mit seinen Kumpels gerade „Paranormal Activity“ angeschaut hat und ins
Bett gehen will. Dann wird das Ziegelgeklapper plötzlich anders bewertet, es
wird im „Geisterhaus-Modus“ bewertet, und wenn dann einer erschrocken „Was war
das?“ ausruft, einigt man sich stillschweigend darauf, dass hier irgendetwas
Unheimliches vorgeht, und beginnt hinter jedem flackernden Schatten ein
Gespenst zu sehen.“ Sie beobachtete, wie Jacquelines Stift über das Papier flog.
„Zu einer echten
Halluzination oder Wahnvorstellung wird das Ganze dann, wenn man einer solchen Bewertung
wirklich Wahrheitsgehalt zuspricht.“ Juliana schwenkte den Kaffee in ihrer
Tasse und sog den Duft ein, „Ich meine, auch ein Sechzehnjähriger weiß, dass die
Dachziegel vermutlich nicht wirklich unter einem Dämonenhuf geklappert haben.“ Sie
grinste, „Auch wenn er es vermutlich nicht darauf ankommen lassen wird.“
„Kannst du mir denn einen Fall beschreiben, natürlich ohne Namen
zu nennen, bei dem tatsächlich so etwas wie diese ansteckenden Halluzinationen
im Waldheim aufgetreten sind?“
Julianas Grinsen
verblasste. „Ja“, sagte sie, „und das ist gar nicht so selten.“ Sie lehnte sich
zurück und sah aus dem Fenster. Ein steifer Wind riss an den Bäumen. „Stell dir
vor, der Junge der das Klappern der Dachziegel hört, hat vorher keinen
Horrorfilm gesehen, sondern sich an einer Geisterbeschwörung versucht.
Gläserrücken, Ouija-Brett, du weißt schon. Stell dir vor, die Antworten dieses
„Geistes“ waren in irgendeiner Form bedrohlich. Und jetzt stell dir vor, dass
der Junge das Klappern der Dachziegel nun tatsächlich für einen Beweis hält,
dass er heimgesucht wird.“ Juliana stellte ihren Kaffee ab. „Wenn er dann auch
noch glaubt mit niemandem darüber reden zu können, dann ist der psychische
Giftcocktail fertig, und wir Therapeuten bekommen ihn erst dann zu sehen, wenn
er wegen einer handfesten Angststörung in der Psychiatrie gelandet ist.“
„Nicht darüber reden? Klingt ein wenig wie das, was den Kindern
im Waldheim widerfährt, nicht wahr?“
Die Frage erwischte Juliana
wie ein Schwall Eiswasser. Sie rang nach einer Antwort. Fand keine. Wenigstens
konnte sie sich daran hindern, ihre Lederarmbänder zu berühren. Jacqueline
beobachtete sie aufmerksam. Wartete geduldig. Sprach erst weiter, als sie
sicher war, dass von Juliana tatsächlich nichts kommen würde.
„Ich will ehrlich zu dir
sein Juliana“, sagte sie und beugte sich vor, „Du bist sehr offen und
mitteilsam. Bis das Thema auf das Waldheim kommt.“ Die Bloggerin kaute sich auf
der Lippe herum, als ob sie etwas zurückhielt. Schließlich sprach sie es dann
doch aus.
„Es ist, als hätte man dir einen unsichtbaren Knebel angelegt.
Wie gehst du mit dieser Situation um?“
Juliana erstarrte. Fesseln und Knebel. Genau das, was ich im
Waldheim beobachte. Es hat mich angesteckt… Diesmal konnte sie sich nicht
daran hindern, ihre Lederarmbänder zu berühren. Diesmal sah die Bloggerin nicht
weg. Line beobachtete es genau. Sah Juliana dann in die Augen, nickte in
Richtung von Julianas Armbändern und lächelte entschuldigend.
„Juliana, ich weiß, dass dich nicht jede Frage begeistern wird,
doch kannst du mir erklären, was es mit diesen Lederarmbändern auf sich hat?“
Juliana sprang auf, so
hastig, dass die Kaffeetasse vom Tisch flog, und die Duftlampe umkippte.
„Ich…“, stammelte sie und beobachtete, wie die Duftlampenkerze in einer Pfütze
aus Wasser und Aromaöl ertrank, „Ich…“, eine Wolke aus Lavendel und Kaffee
breitete sich aus, „Danke für den Kaffee!“, stieß Juliana schließlich hervor,
flüchtete aus dem Café, sprang in ihren Wagen und ließ den Ort des Geschehens
hinter sich.
Erst als sie auf halbem
Weg nach Bayreuth war, hatte sie sich wieder beruhigt. Sie hielt an einem
Rastplatz. Und ihr wurde klar, dass das Waldheim wieder auf sie wartete. Dieses
Geheimnis, das hinter der Idylle lauerte, so unergründlich und unerträglich,
wie das Schweigen, das auf den Kindern lastete. Aber all das ist besser, dachte Juliana, als über meine Armbänder zu reden. Das, was von ihnen gebändigt
wurde, begann sich ohnehin bereits zu regen. Sie wagte sich nicht auszumalen was
geschah, wenn es aufwachte. Und Besitz von ihr ergriff.
Dass Juliana weinte
bemerkte sie erst, als Tränen auf das Leder tropften. Irgendwann hatte sie sich
wieder gefasst. Ihre Ängste abgetötet. Und machte sich endgültig zurück auf den
Weg ins Waldheim.
Das Gewinnspiel:
1. - 5 Preis
Jeweils ein E-Book Paket "Der vergiftete Raum" Teil 1 - 7
im Mobi oder ePub Format
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